



Plasmapherese
Die Plasmapherese ermöglicht es, Stoffe aus dem Organismus zu entfernen, die der Organismus selbst nicht ausscheiden kann. Dies sind vor allem hochmolekulare Verbindungen, die nicht durch die Nieren ausgeschieden werden können. Sie können nur zusammen mit den flüssigen Blutbestandteilen, dem Plasma, ausgeleitet werden. Daher kommt auch die Bezeichnung des Vorgangs, vom griechischen πλάσμα – Plasma und φαίρεσις – Apherese oder Entfernung. Viele Erkrankungen des Menschen werden von Störungen in der Zusammensetzung des endogenen Milieus des Körpers begleitet. Diese Störungen bestimmen in vielen Fällen trotz modernster Medikamente oder chirurgischer Intervention die Schwere des Krankheitsverlaufs und sind unter Umständen sogar die Hauptursache für den ungünstigen Krankheitsausgang.
AKUTE ERKRANKUNGEN UND PATHOLOGISCHE ZUSTÄNDE
Vor allem sind hier der septische Schock und die Komplikationen im Verlauf akuter entzündlicher Erkrankungen der Organe des Brust- und Bauchraums zu nennen. Die Entwicklung einer schweren Endotoxikose hängt in diesen Fällen von den Endo- und Exotoxinen der über die Primärwunde in den Blutkreislauf gelangten Erreger, von der Entwicklung einer Kette von nachfolgenden, zur Akkumulation von toxischen Stoffen führenden metabolischen Störungen und von der Entstehung von unvollständig oxidierten Metaboliten aufgrund der Hypoxie im Gewebe ab.
Im Falle der Pankreatitis ist die Aktivierung der Proteolyse von der Ausschwemmung einer größeren Menge von Enzymen aus der Bauchspeicheldrüse in den Blutkreislauf begleitet. Neben dem Ausstoß von Endotoxinen durch Escherichia coli und andere Enterobakterien und der hohen Absorptionsfähigkeit und der großen Fläche des Peritoneum wird im Falle des Vorliegens einer Peritonitis die Parese des Darms von einer Aktivierung der Fäulnis des Darminhalts und von einer erhöhten Durchlässigkeit der Darmwand für enterogene Toxine begleitet. Beim Vorliegen von Traumata entwickelt sich aufgrund des plötzlich auftretenden physiologischen Stresses bereits im frühesten Stadium das endogene Intoxikationssyndrom, das durch die unter dem traumatischen Schock entstehenden biologisch aktiven Substanzen, durch die Zerfallsprodukte des Fettgewebes und andere Gewebebestandteile, die in den Blutkreislauf gelangen, und durch die nachfolgenden Entzündungsprozesse entsteht. In allen diesen Fällen führen die sich akkumulierenden toxischen Stoffe zu Störungen der Permeabilität der Zellmembranen. Die Durchlässigkeit der Blutgefäßwände führt dazu, dass aus dem Gefäßsystem nicht nur Plasma in das Interstitium austritt, sondern auch Eiweiße. Das toxische Ödem ist die Hauptursache bei der Entwicklung von akutem Lungenversagen (acute respiratory distress syndrome) und bei der Schädigung anderer lebenswichtiger Organe, was letztlich auch die Haupttodesursache in diesen Fällen ist. Aus dem gesagten wird klar, dass nur die Detoxikation oder die Separation der toxischen Stoffe aus dem Organismus die Progression der Erkrankung verhindern und die Wiederherstellung der Gesundheit bewirken kann.
Aber in der Mehrzahl der oben beschriebenen Komplikationen spricht deren Entstehung für eine Vorschädigung des Abwehrsystems. Die Entwicklung der Endotoxikose vertieft diese „sekundäre“ Schädigung des Immunsystems noch weiter. Nach der primären Aktivierung tritt Erschöpfung und vollständige Dekompensation der Immunitätsmechanismen ein. Die medikamentöse Immunstimulation ist nicht in der Lage, die „erschöpften“ und unterdrückten Abwehrmechanismen zu reaktivieren. Solange der menschliche Körper nicht beginnt, aktiv mit den Infektionserregern und Toxinen zu kämpfen, können selbst die modernsten Medikamente und die Antibiotika der „fünften und sechsten Generation“ den Krankheitsverlauf nicht unterbrechen. Nur durch Plasmaaustausch mit vollständigem Ersatz des entnommenen Plasmas (bis zu 2-3 Liter) durch Spenderplasma mit allen wirksamen Komponenten der humoralen Immunität ist man sowohl in der Lage, die zirkulierenden Toxine aus dem Blutkreislauf zu entfernen, als auch sofort das Immunpotential der Patienten zu erhöhen, was die schnelle und stabile Heilung unterstützt.
CHRONISCHE ERKRANKUNGEN
Die Mehrzahl der chronischen Erkrankungen ist ebenfalls von der Akkumulation pathologischer Stoffe, wie Autoantikörper und Immunkomplexe, allergene und atherogene Faktoren und andere pathogene Metaboliten, begleitet und diese Stoffe bestimmen wesentlich das Ausmaß der Erkrankung und verhindern die Gesundung. Zu diesen Erkrankungengehören Bronchialasthma und andere Autoimmunerkrankungen, Rheumatismus und Glomerulonephritis, Hypertoniesyndrom und Stenokardie, Hautkrankheiten und eine Reihe von Nervenerkrankungen. Die üblichen Therapiemaßnahmen haben in diesen Fällen im wesentlichen symptomatischen Charakter, das heißt, sie mildern die sichtbaren klinischen Erscheinungsformen ab, ohne die wesentlichen pathogenen Mechanismen der Erkrankung zu verändern. Die Prozesse der vorzeitigen Alterung hängen ebenfalls mit der Entstehung und Akkumulation einer Reihe von Autoantikörpern und toxischen Metaboliten zusammen, deren rechtzeitige Entfernung die Abbauprozesse aufhalten und das Auftreten von Krankheiten des „fortgeschrittenen Alters“ verzögern kann. Bei uns ist eine „weichere“ Vorgehensweise bei der therapeutischen Plasmapherese gebräuchlich – 3 bis 4 Sitzungen zur Entnahme von 30 – 40% des zirkulierenden Plasmavolumens (ZPO) mit jeweils einem Tag Abstand zwischen den Sitzungen. Das entnommene Plasma kann durch „Wasser“ ohne Nutzung von Spenderplasma oder Spenderplasmakomponenten ergänzt werden, was die Übertragung von Virusinfektionen verhindert. Allerdings wird im gesamten Behandlungszyklus mehr als das 1-1,5 – fache ZPO entnommen. Dabei muss man berücksichtigen, dass das humorale Regulationssystem des Organismus Mechanismen der Nachproduktion der entfernten Stoffe in Gang setzt. Aber bei intakter genetischer Information werden vor allem normale Komponenten produziert, die in einer „aufgefrischten“ Umgebung und ohne toxischen „Druck“ länger ihre inhärenten Eigenschaften behalten. Der Prozess der Akkumulation pathologischer Produkte läuft langsamer und dauert Wochen und Monate. Daher kann man durch alle 4 – 7 Monate wiederholte Therapiekurse die Patienten auf einem hinreichend kontrollierten Remissionsniveau halten und schweren Komplikationen vorbeugen, sogar wenn die ätiologischen Faktoren der Erkrankung nicht beseitigt wurden. Bei unterschiedlichen chronischen Erkrankungen entwickeln sich natürlich sehr unterschiedliche Typen der Störung der biochemischen und immunologischen Homöostase, was sich aber nicht wesentlich auf die Vorgehensweise bei der efferenten Therapie auswirkt, obwohl in allen Fällen der verzögerten Anwendung die schon eingetretenen organischen Schäden nicht reversibel sind. Andererseits ist es in frühen Etappen der Therapie möglich, dauerhafte Organstörungen abzuwenden und bereits eingetretene reversibel zu gestalten. Prophylaktische Prozeduren der Plasmapherese können sogar vorzeitige Alterung abwenden.
Prof. Dr. med. Voinov V.A.